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Die neuesten Arbeiten Katrin Laades im Kontext des bisherigen Werks

Katrin Laades malerischer Impuls ist antimimetisch: Sie malt abstrakt. Betrachtet man ihre Wandbilder, kommt der Gedanke, hier sei etwas dargestellt, das in der umgebenden Wirklichkeit wiedergefunden werden könnte, sie nachahmt oder eine Ähnlichkeit zu ihr sucht, nicht auf. Wir sehen bunte Zeichen und Figuren – Quadrate, Rauten, sternförmige Figuren oder gezackte Kreise, Sechsecke, Achtecke, Blütenformationen, Quader, ab und an einen eingestreuten Buchstaben: ein C, ein spiegelverkehrtes R, ein Omega – und entdecken hier und da doch ein Element, das uns bekannt vorkommt: eine Ampel, ein Rad, eine Formation, die an die Darstellung einer DNA erinnert, einen italienischen Espressokocher. Diese wenigen wieder erkennbaren Elemente begründen allerdings noch keinen mimetischen Impuls. Für eine sprachliche Annäherung versprechen eher drei Begriffe Gewinn, die der abstrakten Anlage dieser Bilder entsprechen:                                    R a h m e n, S t r u k t u r, G r e n z e.

Begreift man Grenze als Umgrenzung eines Gegenstandes oder einer Figur, will sagen als Umriss, der Form erst generiert, Struktur als Netzwerk oder Gitter, in das die konkreten, umgrenzten Figuren eingefügt sind, und Rahmen als eine geronnene Ordnung und Form der Struktur, dann aktiviert die Malerei von Katrin Laade diese drei Begriffe in den unterschiedlichen Werkphase jeweils mit anderen Akzenten und entsprechend der Differenzierung von Farb- und Formgebung mit unterschiedlichen expressiven Wirkungen und unterschiedlichen Aussagen.

In den Werkphasen 2010 -12 und 2013 – 15 wird die Struktur vielfach als geronnene Form, also als Rahmen behandelt: Pfeile, Quader, konzentrische Ringe, eine pinkfarbene Zickzacklinie („zickzackpink“, 2011) bilden als regelmäßiges Muster den Rahmen, in den die Figuren sich einfügen. Sind die Grundmuster und die Figuren zusätzlich in ihrer Farbigkeit gleich intensiv gestaltet – und Katrin Laade malt stets in leuchtenden Farben – ,wird eine räumliche Wirkung nur andeutungsweise erreicht: Grundmuster und Figur erscheinen auf einer räumlichen Ebene. Allein in den Bildern, in denen das Grundmuster farblich zurückgenommen ist wie in einigen der sogenannten Tondi („Tondo“ meint Rundbild), oder sich in seiner Formgebung auf eine geometrische Regelmäßigkeit reduziert, stellt sich mittels der Räumlichkeit von Vorder- und Hintergrund auch eine Bewegung der Figuren ein: im „Tondo, schwarz“, 2012 scheinen die Figuren aus der Mitte herausgeschleudert zu werden, auf „Indian Spring“, 2013 scheinen sie zu tanzen. Erst in der Werkphase 2016 – 17 aber gerät die Struktur selbst in Bewegung, verliert auf diese Weise ihren Rahmencharakter, das heißt sie emanzipiert sich vom Muster zur beweglichen und lebendigen Struktur und gewinnt so eine eigene räumliche Dynamik. Eine Dynamik, die verstärkt wird durch ein bildnerisches Element, das in dieser Werkphase ebenfalls erstmalig auftaucht: es mehren sich dreidimensional, also ihrerseits räumlich gestaltete Figuren und diese zu Figurationen erweiterten Figuren, werfen einen „Schatten“: reduziert auf ihre räumlich gestalteten Umrisse, tauchen sie, in der Farbigkeit angepasst an den beweglichen Hintergrund, mehrfach auf: ein Schatten oder synästhetisch gesprochen: ein Echo im Raum, das diesen Raum zugleich mitkonstituiert. Das ist die zentrale synthetisierende Leistung dieser Werkphase: Ohne die Differenz zwischen Hinter- und Vordergrund zu negieren, überwindet sie die Erstarrung der Struktur zum bloßen Rahmen oder Muster, indem sie diese selbst in Bewegung versetzt u n d indem sie eine dynamisierte Wechselwirkung zwischen Figur und Grund, zwischen Figurationen und Struktur erzeugt. Diese Wechselwirkung erscheint in den verschlungenen Strukturen des Lichtbildes „Großes Gelb“, 2017 ebenso ausgeglichen und dennoch in pulsierender Bewegung wie in dem Nachtbild „starlight“, 2016.

In dieser kontextuellen Entwicklung muten die neuesten Arbeiten von Katrin Laade auf den ersten Blick wie das Negativ zum Positiv in der Fotografie an: Gezackte Linien und dreidimensional gestaltete Hohlkörper durchschneiden ohne Rücksicht auf Verluste die wieder zu flächigen Figuren zurückgenommenen bunten Bildelemente. Haben die netzartigen Strukturen die Konkretion der bunten Formelemente besiegt? Mehr noch: Haben sie die Wechselwirkung zwischen Figurationen und in sich beweglicher Struktur gekappt zugunsten einer erneuten Stasis? Der erste Blick täuscht bekanntlich ebenso wie die deutliche Anmutung, hier sei etwas anderes, neues am Werk sich bestätigt: Denn der zweite Blick offenbart, dass hier mehr als zwei räumliche Ebenen im Spiel sind. Zwar ist der Hintergrund nicht länger als bewegliche Struktur gestaltet, es ist aber deutlich zu erkennen, dass er bearbeitet ist, gezeichnet von schwachen Spuren und Zeichen, die nicht sofort zu enträtseln sind. An dieser Stelle muss ein Wissen in die Bildbetrachtung kommen, das der Betrachter nicht haben kann. Umso wichtiger wird zu dieser neuesten Werkphase der Kommentar.

Katrin Laade arbeitet hier mit einer neuen Technik, die auf dem fertigen Bild weitgehend unsichtbar wird: Nach der Grundierung projiziert sie Pressefotos von Ereignissen auf die Leinwand, die sie in besonderer Weise emotional berührt haben: Bilder von gestrandeten Boatpeople („Boat 1 und 2“), von der Demo zusammengerotteter Rechter nach dem Tod eines Stadtfestbesuchers am 27.08.2018 in Chemnitz ( „Im Blau – 27.8.2018“ und „27.8.2018 – Fragment“ ), von im doppelten Wortsinn aufwühlenden Eindrücken während ihres Arbeitsaufenthaltes im japanischen Osaka: das projizierte Foto zeigt Teile der Schrein- und Tempelanlage „Okunotenjin Ikune Shrine“ und zugleich einen Ausschnitt der Stadtarchitektur Osakas („Shrine“, 2018): die spirituelle Ruhe und Schönheit, gesteigert durch Wandmalereien in leuchtendem Blau in der Tempelanlage und die Hektik und Hässlichkeit der Stadtarchitektur Osakas, für Katrin Laade die Erfahrung eines „clash of culture“, wie sie sagt. Diese Projektionen benutzt sie nun als Untergrund, indem sie sie allerdings bereits in abstrahierender, informeller Form abmalt. Erst danach beginnt eine wiederum neue Technik der Bearbeitung: Sie klebt die Leinwand in zwei Schichten mit Klebeband ab und produziert dabei nicht nur gezackte Linien, sondern auch differenzierte, dreidimensionale Hohlkörper. Erst danach werden die bunten wieder auf bloße Figuren und Pattern reduzierten farbigen Elemente aufgemalt. In einem dritten Schritt reißt Katrin Laade die Klebestreifen ab. Auf diese Weise entstehen die gezackten Linien und die dreidimensionalen Körper, die ihrerseits nun die Farbfiguren an- oder zerschneiden, in jedem Fall aber versehren. Wie gesagt: diese Informationen sind für den Betrachter wichtig, denn sie sind den Bildern selbst nicht zu entnehmen. Wenn man Kenntnis dieser Technik hat, entdeckt man tatsächlich in den Spuren auf dem Hintergrund menschliche Köpfe („Im Blau-27.8.2018“) auf dem Bild „Boat 2“ zwischen dem mehrfach umrandeten Stern in der Mitte am rechten Rand und den zwei Rechtecken die Umrisse von Menschen und meint auch rechts außen neben dem Stern den Schatten eines Bootes zu erkennen. Das ist der Schlüssel zu dieser neuen Werkgruppe: Der von Spuren der Geschichte gezeichnete Untergrund und die versehrten Figuren treten in Korrespondenz: Dass die gezackte Netzstruktur sich über sie gelegt hat ist offensichtlich, ihre Versehrung aber ist wie ein Fanal: das Fanal für eine aus den Fugen geratene Welt. Das ist das Neue an einigen von Katrin Laades Bildern 2018/19: Sie sind nicht mehr länger nur eine Auseinandersetzung mit den Strukturen und den farbigen Figuren, sondern sie sind im Wortsinn gegründet auf Momentaufnahmen, eben auf Fotos einer Welt, in denen von Menschen gemachte Ordnungen und Strukturen sich als desaströs, ja als destruktiv erweisen. Wahrlich eine neue Dimension, die zugleich an den Anfang zurückführt: Als durchgehend antimimetisch und abstrakt kann Katrin Laades Malerei nicht länger gelten.

Frauke Tomczak, Düsseldorf, 28.05. 2019

 

Im Farbraum

Gedanken zu Katrin Laades Arbeiten

Was Bilder nicht sein sollen:

zu mutlos, zu trübe, zu pastellig, zu lieblich, zu voll, zu leer, zu steif.

Was Bilder sein sollen:

Momente des Risikos. Wahrhaftig, spannend, frisch, leicht, nicht spekulativ.

Sagt Katrin Laade.

Die japanische Hofdame Sei Shonagon hat vor mehr als tausend Jahren in ihrem „Kopfkissenbuch“ kleine Listen wie diese geführt. Dass sie mir jetzt einfallen, hat seinen Grund. Denn spricht man mit Katrin Laade über ihre Malerei, dann kommt man schnell an Grenzen des Möglichen. Das malerische Ereignis entzieht sich textlichen Zuschreibungen. Umschreibungen, Assoziationen, Wortreihen sind daher mögliche Formen der Annäherung.

Der Kunsttheoretiker und Kurator Stephan Schmidt-Wulffen hat dieses Phänomen der „Begriffslosigkeit“ in seinem Buch „Spielregeln – Tendenzen der Gegenwartskunst“ prägnant beschrieben: „Das Außergewöhnliche der Kunst ist, dass sie in so eigenartiger Weise nachdenkt. Die Werke eines Künstlers drücken eine Haltung zu Wirklichkeit und Welt aus, aber sie bringen sie nicht auf den Begriff. Ihre Methode entspricht in vollkommenster Weise ihrem Objekt: Sie analysiert Wirklichkeit, indem sie an ihr teilnimmt, oder umgekehrt, indem sie an der Wirklichkeit teilnimmt, analysiert sie sie.“

In diesem Sinn entsprechen die Regeln, die für dieses Spiel spätestens seit der Moderne gelten, individuellen Setzungen. Katrin Laade bewegt sich – bleibt man bei diesem sprachlichen Bild – seit ihrem Studium an der Kunstakademie Düsseldorf auf dem von ihr entwickelten Spielfeld der malerischen Abstraktion, dessen Ränder und Möglichkeiten die Künstlerin in den vergangenen Jahren noch einmal deutlich erweitert hat. Es ist kein Zufall, dass die Serie der „16 Porträts“ von 2010 den Beginn dieses Katalogbuches markiert, denn auch wenn die Bezüge zu früheren Werkphasen offensichtlich sind, wird mit den „16 Porträts“ eine Art Atlas oder Alphabet einer neuen Formensammlung geschaffen, aus der heraus sowohl die eindrucksvoll großen Formate wie die kleineren, leichteren Tondi der folgenden Jahre entstehen. Neu ist dabei nicht nur die Formensprache, sondern auch die Technik, die eine andere Farbigkeit ermöglicht: Öl, statt Acryl, auf Nessel, dazu kommt die Arbeit mit Schablonen.

Satte, frische, leuchtende Farben sind die Folge. Feinste Akkorde oder kraftvolle Klänge. Pink steht neben Orange, hinter Grün, Türkis, Blau. „Rot ist die Nacht.“ Gelb auf Gelb wird zum Netzwerk eines glühenden „Indian Spring“. Vor hellstem Grau, fast schon ein Weiß, tauchen Rosa, Orange, Grün und Blau auf und verschwinden wieder wie in einer Art zartem Nebel. In einigen neuesten Arbeiten bleibt das Nessel selbst wie eine Art empfindsame Haut als ungrundierte Folie stehen, vor der Katrin Laade in sensibler Souveränität mit der Lust an der Farbe spielt. Licht durchscheint die abstrakten Szenerien von innen. Sie strahlen.

Immer wieder wird die Energie über den Bildgrund aufgebaut, durch sie wird der Blick des Betrachters in eine Art Farbraum gesaugt oder entlang eines Zickzackmusters, über Kreuz- oder Netzlineaturen hin und her geführt. Und in diesem Farbraum schweben dann – vor-, hinter-, nebeneinander – all diese Zeichen, Juwelen, Buchstaben, manchmal ganze Worte und Sätze, Sterne, Pril-Blumen, Ampeln, Kreise, Rauten, Spielfiguren, Augen, dazwischen auch mal fast geometrische wirkende Konstruktionen – jenes eigenwillige Vokabular an Formen und abstrakten Symbolen, das Katrin Laade in den neueren Arbeiten entwickelt hat und das nur noch vage an die gestischen, kalligrafischen Notationen der früheren informellen Malerei erinnern. Manches dieser rätselhaften Zeichen und Räume findet sie auf Bildrecherche im Internet. Aus virtuellen Tiefen scheinen sie ebenso aufzutauchen wie sie collagierte Teile einer möglichen realen, mit Witz und Ironie angeeigneten Welt sein könnten. Es spielt keine Rolle. Frech, klar, direkt, immer wieder überraschend behaupten diese Bruchstücke ihren Platz, dynamisieren die Bildstruktur, lösen sie auf, bringen sie in Bewegung. Dem entspricht der Malprozess: Katrin Laade stellt die Leinwand nicht auf eine Staffelei und lehnt sie nicht an eine Wand, um zu arbeiten. Sie legt sie auf den Boden und nähert sich dem Bildraum von allen Seiten an – in einem eigenen musikalischen, fast tänzerischen Rhythmus.

Johannes auf der Lake hat schon vor früheren Bildern von Katrin Laade die Frage gestellt, ob diese explodieren oder implodieren. Dies bleibt auch vor den neuen Arbeiten offen. Was zu sehen ist, scheint nur ein Moment des Innehaltens, ein Ausschnitt, ein Rauschen, ein Klang, eine Möglichkeit, ein Augenblick.

Was also sind diese Bilder?

Riskant, wahrhaftig, spannend, frisch, nicht spekulativ und – auf wunderbare Weise – zugleich rätselhaft.

Petra von Olschowski

(Katalog 2015/16)

 

Trendwände 2008

Explodieren oder implodieren die Bilder von Katrin Laade? Bersten also ihre Farbformkonstrukte und drängen wie nach dem Urknall ernergiegeladen nach außen um extraordinäre Material – und Formvarianten freizusetzen? Oder treibt eine äußere künstlerische Kraft die schiere Fülle der malerischen Palette zu einem komprimierten formalen Entwurf, dessen Gefüge sich als gehaltvolle Mischung formt? Wird das Statische richtungsgebunden dynamisiert, entwickeln sich also aus Punktformen, diesen „Urelementen der Malerei“ (Kandinsky) Linien und Flächenkonstrukte oder ist auch die Umkehrung dieses Prozesses möglich? Katrin Laade erfasst in ihren Bildern die Momente der jeweils individuellen malerischen Entwicklung, in der beide Varianten als strukturelle Erklärungsmuster möglich sind. Indem sie sie, vergleichbar einem Filmstill, fixiert, fordert und fördert sie den Betrachter dabei, sich dem Bild gegenüber nicht nur zu verhalten, sondern auch zu verorten. Es reicht also nicht zu sagen „ganz interessant“, oder „interessiert mich nicht“. Als Betrachter nehme ich tatsächlich teil an der Vorstellung einer malerischen Entwicklung und muss mich dabei vorsehen, von den bildhaft gebändigten Farbformen nicht „erschlagen“ oder „aufgesogen“ zu werden.

Johannes auf der Lake, 2008